An dieser Stelle möchte ich wieder eine kleine Geschichte aus meinem Arbeitsalltag erzählen und darüber, wofür ich die Überschüsse, die das Tierheilkundezentrum abwirft, am Liebsten verwende. Es war wie so oft bei mir eine ganz zufällige Begegnung, die mich dann aber doch mehr beanspruchte wie geahnt. Das Ganze ist inzwischen über 4 Jahre her und ich wurde jetzt wieder daran erinnert, als ich unterwegs zu einem Patienten war, der etwas weiter weg wohnt. Auf meiner Fahrt dorthin kam ich an der Weide vorbei, wo ich damals die vielen kleinen Esel gesehen habe. Die Weide lag an einer Landstraße über die ich nur aus dem Grunde fuhr, weil ein Stau auf der Autobahn war und ich die nächst mögliche Abfahrt nahm. Ich kam also an dieser Weide vorbei und sah 10 kleine Esel und alle in einem erbärmlichen Zustand. Einige standen direkt vorne zur Straße am Stacheldrahtzaun, der kaputt war und einige der Esel bereits verletzt hatte wie ich sah. Ich hielt an um mir die Esel näher anzuschauen. Alle waren völlig abgemagert was kein Wunder war, da die Weide völlig leergefressen war und ich weit und breit keinen Heuballen oder sonst etwas Fressbares entdecken konnte. Alle Eselchen waren krank oder verletzt, das konnte ich auf den ersten Blick erkennen. Als sie mich am Zaun stehen sahen, kamen alle Esel zu mir, wahrscheinlich in der Hoffnung, dass ich irgendetwas Fressbares hatte. Dabei sah ich, dass viele von ihnen lahmten. Zwei von ihnen hatten Fohlen bei Fuß, es war mir unerklärlich, wie sie es geschafft hatten, ihre Babys überhaupt zur Welt zu bringen in ihrem geschwächten Zustand. Die Hufe von allen Tieren waren in einem katastrophalen Zustand. Das Ganze hier war ein Fall für den Tierschutz, das stand außer Frage! Ich überlegte nicht lange sondern fuhr in den nächsten Ort und hielt bei einer Tankstelle an. Ich wusste ehrlich gesagt gar nicht genau, in welcher Gemeinde bzw. in welchem Landkreis ich mich befand, da ich ja von der Autobahn abgefahren war und mein altmodisches Navi mir keine Landkarten oder Umgebungskarten anzeigt….Das musste ich aber natürlich wissen, wenn ich dem Veterinäramt Bescheid geben wollte. Danach fuhr ich weiter zu meinem Patienten und behandelte ihn. Dabei gingen mir die kleinen Esel nicht mehr aus dem Kopf.
Als ich am späten Abend wieder Zuhause ankam suchte ich mir noch die Telefonnummer vom zuständigen Veterinäramt heraus um direkt am nächsten Morgen anrufen zu können. Das war dann auch das erste was ich am nächsten Morgen erledigte. Die Dame am Telefon war sehr freundlich und versprach mir, dass sich umgehend darum gekümmert wird. Als ich einige Tage später wieder anrief erfuhr ich, dass leider noch nichts passiert war. Ich wollte wissen, warum und bekam zu hören „wegen Personalmangel“…! Tja, das ist leider nicht das erste Mal, dass ich solche Antworten bekomme und ich werde es wohl niemals begreifen! Es geht um lebende Wesen, die uns Menschen vertrauen und in unsere Obhut gegeben wurden. Ich blieb in den nächsten Tagen hartnäckig und rief immer wieder an. Am liebsten wäre ich jeden Tag zu den Eseln gefahren aber es waren dann doch fast zwei Stunden Autofahrt und meine Patienten vor Ort kann ich nicht vernachlässigen. Es kam dann auch tatsächlich Bewegung in die Sache und bei einem weiteren Telefonat wurde mir gesagt, dass vermutlich alle Esel demnächst eingeschläfert werden sollen! Ich war total schockiert! Das konnte ich auf keinen Fall zulassen! Dann wollte ich sie übernehmen und aufpäppeln. Allerdings war an einen so weiten Transport bis zu mir auf meinen Hof überhaupt nicht zu denken. Erstens kannten die Esel weder Halfter noch Hänger und außerdem waren sie für einen so langen Weg viel zu schwach. Ich hatte in dieser Situation eine riesengroße Portion Glück, denn einer der Mitarbeiter vom Veterinäramt hatte einen Bauernhof mit viel Platz und bot mir an, die Esel in Pension zu nehmen bis sie vermittelt werden konnten. Ich überlegte nicht lange und in solchen Momenten sind mir auch die Kosten egal. Hauptsache, den Tieren geht es besser.
Es begann ein zähes Hin und Her mit den beteiligten Behörden und Ämtern bis dann endlich feststand, dass ich die Esel übernehmen konnte. Mir fiel ein Stein vom Herzen und ich organisierte mit Freunden den Transport zu dem Hof. Anders als erwartet gestaltete sich das Verladen als gar nicht so schwer. Auch die mitgebrachten Halfter ließen sie sich bereitwillig über den Kopf ziehen. Auch die beiden Fohlen, die vermutlich noch nie in ihrem Leben richtigen Kontakt zu Menschen hatten. Es waren nur ein paar wenige Kilometer dann waren wir da. Die Eselchen wurden schon von den anderen Bewohnern erwartet und freudig begrüßt. Sie durften auf ein Stückchen abgetrennte Weide direkt am Hof und konnten sich die Füße vertreten. Dass sie sich sofort über den riesigen Ballen duftendes Heu hermachten, muss ich bestimmt nicht erwähnen….
Und dann begann die Arbeit. Für mich war es allein schon aufgrund der Entfernung eine anstrengende Zeit, die ich aber nicht missen möchte. Alle Esel wurden von mir und einem liebevollen Tierarzt vor Ort parallel homöopathisch und veterinärmedizinisch behandelt, der Schmied korrigierte die Hufe über mehrere Monate und sie lernten das erste Mal in ihrem Leben, dass Menschen auch Gutes tun können. Etwa alle 10 Tage fuhr ich zu meinen Eselchen und blieb immer gleich zwei Tage vor Ort, so dass ich ausreichend Zeit hatte, mich um jeden einzelnen ausgiebig zu kümmern. Außerdem bekamen alle Eselchen einen Namen. Es war schön, wie sie mich nach einer Weile schon am Auto erkannten und mich freudig am Weidezaun begrüßten, wenn ich auf den Hof fuhr. Alle machten gute Fortschritte und entwickelten sich zu kleinen Prachtexemplaren mit den unterschiedlichsten Charakteren. Waren sie am Anfang noch alle sehr schüchtern und verängstigt, so waren jetzt auch ein paar kleine Rabauken dabei, die sich den ganzen Tag über balgten und über die Weide buckelten. Nach etwas über einem halben Jahr war es dann an der Zeit, ein gutes neues Zuhause für alle Esel zu suchen. Im Ort und der Umgebung hatte sich die Geschichte von der Eselrettung bereits herumgesprochen und Hofbesitzer Alex hat sehr viele Kontakte zu Tierhaltern. Wir konnten ziemlich schnell für alle Esel ein neues Zuhause finden, die ich mir auch alle vorher persönlich angesehen habe. Mit Alex vor Ort hatte ich auch die Gewissheit, dass er von Zeit zu Zeit nachsehen würde, dass es allen weiter gut geht.
Hier endet die Geschichte von meinen Eselchen. Ich habe sie mittlerweile alle noch einmal besucht und mich persönlich von ihrem Wohlergehen überzeugt. Ich bin froh und dankbar, dass ich hier „zufällig“ helfen konnte. Wäre kein Stau auf der Autobahn gewesen, wäre ich nicht an dieser Wiese vorbeigekommen und wer weiß, was dann mit den Eselchen passiert wäre…

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Tierheilpraktikerin Claudia Nehls
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